Die Kunst des Kochens
Das Erfolgsrezept von Auguste Escoffier
Auguste Escoffier (1846 bis 1935)
Das Wirken von Georges Auguste Escoffier hat die französische Küche weltberühmt gemacht. Nur wenige wissen, wie stark er auch Aspekte beeinflusste, die für die moderne Speisenversorgung und Speisenverteilung relevant sind – darunter Küchenplanung und -organisation, Ergonomie oder Hygiene. B.PRO liefert spannende Einblicke.
Die Hölle in der Küche
Es dampfte und rauchte, Hitze und Lärm waren schier unerträglich. Dreck fand sich in allen Ecken. Als Auguste Escoffier Mitte des 19. Jahrhunderts den Beruf des Kochs erlernte, waren die Arbeitsbedingungen katastrophal. Es wurde geflucht und geschlagen, Alkohol und Tabak galten als Grundnahrungsmittel. Jeder war für alles zuständig, Köche galten als niedere Arbeiter.
Die Küche war zu jenen Zeiten also ein Chaos – und mittendrin der talentierte, sanftmütige Auguste Escoffier. Seine Auffassung des Kochens war eine grundsätzlich Andere. Er sah im Kochen eine Kunst und den Koch demnach als Künstler.
Respekt durch Regeln
Escoffier war Koch mit Leib und Seele. Schon mit 18 Jahren avancierte er zum Chefkoch. Sein hoher Rang erlaubte es ihm, neue Regeln aufzustellen, die bis heute in den Spitzenrestaurants der Welt gelten. Eine der wichtigsten: Respekt – untereinander, für den jeweiligen Rang und die Zutaten. Eine gedämpfte, höfliche Ansprache, Ruhe und Beherrschung ersetzten die Flüche.
Darüber hinaus verordnete er Kochmütze sowie eine einheitliche Uniform, die dem Träger Haltung abverlangte und zugleich Respekt einforderte. Escoffier bildete diese neue Generation von Köchen fortan auch institutionell aus. Köche seien keine Handlanger, sondern freie, ausgeglichene Menschen, denen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fertigkeiten auch eine außerordentliche Wertschätzung zustünde – diese Haltung verfocht Escoffier sein Leben lang.
Ein neuer Zugang zum Essen
Escoffier erschuf im Laufe seines Lebens Gerichte, die wir heute noch kennen: Seezungenfilet Coquelin, Geflügel à la Derby, Birne Helene und den Eisbecher Pfirsich Melba. Solche Genüsse waren zuvor undenkbar. Man tendierte zu schweren, verkochten Mahlzeiten, denn viele Menschen hatten Angst, ansonsten krank zu werden. Zurecht, schließlich ließ nicht nur die Qualität der Lebensmittel, sondern auch die Sauberkeit in der Küche zu wünschen übrig. Escoffier setzte neue Hygienestandards und bestand auf den Erwerb bester Zutaten. Er wollte mit natürlichen Produkten und möglichst unverfälschten Aromen kochen.
Beispiele für diesen Prozess waren Saucen und Fonds. Er machte Saucen leichter, erfand die Technik des Eindickens und verzichtete im Zuge dessen auch auf Bindemittel. Inspiriert durch die Chemiker seiner Zeit, teilte er die Soßen in Grundsoßen ein, die nach Belieben und Kreativität abgewandelt wurden. Für Fonds kreierte er einen Basisfond, aus dem 40 weitere zubereitet werden konnten.
Und auch Standards anderer Art führte der Franzose ein. Er erfand ein neues Kochsystem, das wissenschaftlich-empirisch die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Gerichts erfasste.
Genuss ist Luxus
Auguste Escoffier kam schnell zu großem Ruhm, und sein Ruf eilte ihm voraus. In Monte Carlo traf sich zu dieser Zeit die Crème de la Crème der feinen Gesellschaft: südafrikanische Millionäre, orientalische Potentaten, der Adel und Industriemagnaten. Der Unternehmer César Ritz erkannte hier ungeheures Potenzial: Er begründete das Konzept des Luxushotels mit dem Restaurant als signifikantem Erfolgsfaktor. Ritz verpflichtete 1884 Escoffier als Küchenchef, und eine langjährige Zusammenarbeit erwuchs. Schnell hatte dieser eine Vision, wie er die hochrangigen Gäste, die seine Kunst zum Teil schon aus anderen Restaurants kannten, mit neuen Ideen begeistern konnte.
Der Restaurantbesucht als exklusives, ganzheitliches Erlebnis
Schon mit dem Betreten des „Ritz“ und später anderer Spitzen-Etablissements musste es laut Escoffier der Anspruch sein, die Gäste in eine andere Welt zu entführen. Er maß dabei über das Essen hinaus der Inszenierung eine besondere Bedeutung zu. Ob Service, Empfang oder Ausstattung, alles sollte ein Höchstmaß an Zusammenspiel, Effizienz und Eleganz demonstrieren. Feinstes Porzellan, schweres Tafelsilber, weiche Stoffservietten – das Beste war gerade gut genug. Noch heute sind diese Aspekte, genau wie die spezielle Gestik und Arbeitskleidung des Personals, untrennbare Merkmale der Haute Cuisine.
Ein Meilenstein der Restaurantgeschichte war auch, dass Escoffier das weibliche Geschlecht als neue Zielgruppe definierte. Vor ihm mussten „ehrbare Frauen“ Restaurants meiden – nur Künstlerinnen oder sogenannte „Halbweltdamen“ waren dort zu finden. Escoffier öffnete die Türen für die Damen der feinen Gesellschaft.
Ob Frau oder Mann: Das Erlebnis begann für die Gäste schon mit der Speisekarte. Wo vorher sperrige Namen oft nicht einmal verrieten, was auf dem Teller landen würde, fand Escoffier einen lyrischen Ansatz. Seine Speisekarte, oft mit violetter Tinte verfasst, strotzte nur so von fantasievollen, poetischen Bezeichnungen. Und während sich die Gäste voller Vorfreude die Bäuche rieben, ging es ebenso künstlerisch hinter den Kulissen weiter. Bis heute ist, dank Escoffier, das präzise, oft überraschende Anrichten ein wichtiger Bestandteil der spitzengastronomischen Ästhetik. Er wusste: Das Auge isst mit. Der Koch wurde endgültig zum Künstler.
Die Küchenbrigade als revolutionäres Konzept
1890 war London der Inbegriff der Modernität und des Fortschritts – doch es fehlten die Möglichkeiten, gut essen zu gehen. Escoffier sah seine Chance, die Kochkunst auf ein neues Level zu heben. Er übernahm die Küche des ersten Londoner Luxushotels „Savoy“.
Escoffier stand vor der gewaltigen Aufgabe, das Kochen und die Organisation der Küche – mal wieder – neu zu denken. Zu den einzelnen Banketten mussten rund 500 Gedecke zeitgleich rausgehen. Wenn jeder für alles zuständig ist, ist dies unmöglich. Der Franzose führte das Prinzip der „Brigade de Cuisine“ ein. Sie zeichnete sich durch verschiedene Posten, Bereiche und Hierarchiestufen mit klar definierten Aufgaben aus. Der Zeitgewinn war erheblich, die Qualität gleichbleibend, und alle Gänge war auf den Punkt gleichzeitig fertig. Das Brigadesystem, in der gehobenen Küche bis heute unverzichtbar, lieferte effizient Gerichte wie am Fließband. Der Küchenchef orchestrierte die Abläufe.
Ergonomische Küchenplanung à la Escoffier
Was wir heute als ergonomische Küchenplanung verstehen, hat seinen Ursprung bei Escoffier. Zum Beispiel richtete er Küchen so ein, dass sie in der Höhe perfekt auf die Köche angepasst waren. Er maß die Zahl der Schritte, um optimale Laufwege zu bestimmen. An jeder Station gab es Glühbirnen und weitläufige Arbeitsflächen zur freien Entfaltung. Lange Herde und große Kochfelder komplettierten das Bild. Der Pass, wo die Teller warmgehalten werden, war seine Erfindung. Unternehmen wie B.PRO, die Lösungen für diverse Speisenlogistik-Prozesse liefern, profitieren bis heute von Escoffiers Erkenntnissen.
Weltruhm für französische Produkte
Der Franzose erkannte früh, welche Bedeutung das Essen für die Gesundheit und das Wohlbefinden hatte. Statt wie bisher bis zu 30 Gänge an einem Abend servierte er vier bis fünf, um den Magen zu entlasten. Außerdem führte er das Konzept des À-la-carte-Menüs ein, bei dem die Gäste ihre Gerichte individuell aus einer Auswahl von Speisen auswählen konnten.
Natürlich war Auguste Escoffier von der Qualität französischer Produkte zutiefst überzeugt. In London übernahm er 1899 die Küchenleitung des Luxushotels „Carlton“. Viele Lieferanten fand er in seiner Heimat. Escoffier wurde zum größten Importeur von französischen Luxuslebensmitteln in ganz England. Dies begründete den Weltruhm für Produkte wie Enten aus Rouen oder Gänseleberpastete aus dem Elsass.
Le Guide Culinaire
Mit zunehmendem Alter zog sich Escoffier aus der Küche zurück und verbrachte viel Zeit damit, seine Erkenntnisse aufzuschreiben. Dabei interessierten ihn die theoretischen Grundlagen der Kochkunst. In wissenschaftlicher Präzision widmet er sich seinem Hauptwerk „Le Guide Culinaire“. 5 000 Rezepte auf 800 Seiten vereinten alle Grundprinzipien seines Systems. Bis heute ist es die Grundlage für ganze Köche-Generationen und ein Standardwerk der französischen Küche.
Ein visionäres Erbe
Gen Ende seines Lebens exportierte Auguste Escoffier seine Kochkunst sogar über den großen Teich. Mit seinem untrüglichen Instinkt für Marketing machte er dem amerikanischen Gast, für den Paris als Mekka der Gourmets galt, das kulinarische Prestige Frankreichs schmackhaft.
Am 12. Februar 1935 starb Auguste Escoffier in Monte-Carlo. Er hatte den Traum seines Lebens verwirklicht: dem Beruf des Kochs den Respekt zu verleihen, den er verdient. Escoffier wurde zum internationalen Star und Botschafter für die französische Gastronomie. Seine Philosophie und Kochkunst war und ist maßgebend für Köche und Köchinnen in aller Welt, weil sie absichtlich Raum für Inspiration und Entwicklung lässt.
Denn Escoffier wusste: „In Zukunft werden andere kommen, die unser Werk an neue Bedürfnisse anpassen. Das sind die Folgen des Fortschritts.“
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